E-Books für Kinder sind noch ein Nischenprodukt. Eltern reagieren verhalten, Kinder und Jugendliche sind von der Technik fasziniert. Durchgesetzt haben sich die E-Reader für den Bereich der Kinder- und Jugendbücher aber trotzdem noch nicht.
Sie sind klein, leicht, handlich, und die Seiten werden beim Lesen nicht schmutzig. E-Books sind für viele Kinder faszinierend und cool. Doch auf dem deutschen Buchmarkt spielen die elektronischen Kinderbücher bislang kaum eine Rolle. Laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels kamen Kinder- und Jugendbücher im Jahr 2011 auf einen Anteil von gerade mal sechs Prozent am E-Book-Markt. Zum Vergleich: Insgesamt tragen Kinder- und Jugendbuchtitel 15,7 Prozent zum Gesamtumsatz bei. Dabei empfinden Jugendliche E-Books laut einer Studie der Stiftung Lesen attraktiver als "echte Bücher".
"Die Nachfrage lässt auf sich warten", sagt Heike Fechter, Leiterin der Abteilung Kinder- und Jugendbuch der Buchhandlung "RavensBuch" in Ravensburg. Von zahlreichen Leseveranstaltungen weiß sie: Die Begeisterung für E-Books sei bei den Mädchen und Jungen zwar deutlich spürbar, "aber daheim nutzen die meisten Kinder einen E-Reader noch nicht".
Wenige Schritte von ihrem Sohn Marlon (5) entfernt beobachtet Kundin Iris Locher, wie ihr Kind zum ersten Mal einen Reader ausprobiert. "Wenn Marlon mal mit Schulranzen in die Schule geht, wäre das eine gute Alternative zu den schweren Printbüchern", überlegt die Ravensburgerin. Sie ergänzt: "Man darf sich da nicht verschließen, muss mit der heutigen Zeit mitgehen - aber dann, wenn ich Bücherregale sehe, gefällt mir das einfach besser."
nsgesamt 530.000 Titel bietet "RavensBuch" als E-Book zum Verkauf an. Gefragt nach einem Siegeszug der E-Books über gedruckte Kinderbücher, verweist Buchhändlerin Fechter auf die Bandbreite der Trägermedien. "Wir verkaufen hier auch noch Bibi-Blocksberg-Kassetten", sagt sie gelassen. "Ich glaube nicht, dass sich eine ganze Generation so schnell umstellt."
"Für Kinder, die nicht oft lesen, ist ein dickes Buch häufig ein Hindernis", sagt Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. Die Stiftung hat im August 2011 eine Studie zum Potenzial von E-Readern in der Leseförderung veröffentlicht. Fünf Schulklassen der Stufe sechs hatten eine kleine Bibliothek mit rund 100 Titeln zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt bekommen - entweder als E-Books, als gedruckte Bücher oder in beiden Varianten.
Ergebnis: Negative Urteile wie "Lesen ist nur etwas für Schlaue" oder "Lesen ist langweilig" und "altmodisch" hätten sich mit dem Gebrauch der E-Reader verbessert, sagt Ehmig. Die Verbindung von Lesen mit einem interessanten technischen Trägermedium habe hier vermutlich eine zentrale Rolle gespielt.
E-Books könnten Kinder für das Lesen begeistern und motivieren, urteilt auch Bettina Müller von der Stiftung Lesen, "vor allem Kinder, die bisher keinen großen Zugang zu klassischen Büchern haben". Insbesondere auf Jungen wirkten die E-Books durch die neue Technik cooler und zeitgemäßer als das klassische Buch. Wichtig sei dabei für die Jugendlichen, dass die Technik der E-Reader intuitiv sei und reibungslos funktioniere.
"Viele Kinder- und Jugendbuchverlage sind bereits sehr aktiv und experimentieren mit E-Books oder auch App-Angeboten für Tablet-PCs", sagt Claudia Paul vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Paul zufolge besitzen E-Books für Kinder vornehmlich dann Potenzial, wenn es um Bildung und Lernen geht. Noch aber seien sie "ein Nischenprodukt".
Nach Prognosen des Börsenvereins wird der E-Book-Markt insgesamt immer mehr zulegen. Hatten 2011 erst 78 Prozent der Verlage E-Books im Programm, seien es derzeit schon 86 Prozent. Bei den Buchhandlungen planten 46 Prozent für das Jahr 2011 mit E-Books oder E-Readern. In diesem Jahr seien es schon knapp zwei Drittel.
Beim Ravensburger Buchverlag Otto Maier geht man davon aus, dass Print- und E-Books weiter nebeneinander bestehen werden. Der Anteil der digitalen Titel im Bereich Kinder- und Jugendbuch beträgt aktuell rund ein Prozent, 99 Prozent entfallen auf Print-Ausgaben.
Aus der digitalen Welt könne jedoch auch ein Impuls in die Printwelt hineingetragen werden, sagt Ulrike Metzger, verlegerische Geschäftsführerin des Verlags. Als man beobachtet habe, dass die App "Schlaf gut - Das Einschlafbuch" von Heidi Wittlinger sehr erfolgreich gewesen sei, habe man sich daraufhin die Rechte für das Pappbilderbuch gesichert und dieses auf den Markt gebracht.
An der gelben Rutsche in der Kinder- und Jugendbuchabteilung von "RavensBuch" sitzt Schüler Nicklas Kaiser und testet ein Lesegerät für elektronische Bücher. "Komisch, dass es so schnell umschaltet", entfährt es dem Zweitklässler fasziniert. "Stelle ich mir gemütlich vor, beim Lesen daheim muss man gar nicht mehr umblättern." Umweltfreundlich sei es auch: "Man braucht gar kein Papier." Lesevergnügen ohne Druckerschwärze also? Die Autorin Astrid Lindgren schrieb 1977: "Nimm dein neues Märchenbuch, schlage es auf und bohre die Nase zwischen die Seiten, rieche daran, ja rieche, sage ich... denn in dem Duft der Druckerschwärze wohnt das grenzenloseste aller Abenteuer." Abenteuer, die die Jugend in naher Zukunft elektronisch erleben werden.